Schweizer Grenzen bleiben vorerst offen - EU hat Aussengrenzen nicht im Griff, sagt Büchel

veröffentlicht am Montag, 14.09.2015

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Schweizer Grenzen bleiben vorerst offen

von J. Büchi - Die SVP verlangt in einem Brief, dass die Schweiz wieder Grenzkontrollen einführt. Bislang kam das Thema im Bundesrat aber nicht auf den Tisch.

Die Forderungen nach der Wiedereinführung von Grenzkontrollen in der Schweiz werden lauter. Während die Junge SVP eine Volksinitiative zum Thema plant, will die Mutterpartei im Parlament eine ausserordentliche Session einberufen. Zudem fordert die SVP Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga in einem offenen Brief dazu auf, die Grenzen der Schweiz systematisch zu kontrollieren, um illegale Grenzübertritte zu verhindern. «Ansonsten besteht die grosse Gefahr, dass die Schweiz – anstelle von Deutschland - kurzfristig zum neuen Zielland für eine unkontrollierte Migration wird», heisst es im Schreiben. Das Grenzwachtkorps könnte bei der Sicherung der Grenze «durch die Armee in Form eines Assistenzdienstes unterstützt werden».

In der Schweiz hatte die SVP bereits mehrfach eine Wiedereinführung von Grenzkontrollen gefordert. «Dieser Vorschlag wird nun auch bei uns wieder auf den Tisch kommen», glaubt SVP-Nationalrat Roland Rino Büchel, Vizepräsident der aussenpolitischen Kommission. Der Entscheid von Deutschland zeige, wie schlecht das Schengen-Dublin-System funktioniert.

«Die EU hat ihre Aussengrenze nicht im Griff: Flüchtlinge, die in Deutschland ankommen, sind davor schon mindestens durch drei EU-Länder gereist – meist ohne registriert zu werden.» Es sei allerdings erstaunlich, wie schnell in Deutschland ein Umdenken stattgefunden habe. «Bislang waren die Schengen-Dublin-Regeln für das Land eine heilige Kuh. Jetzt, da Deutschland selber unter massiven Flüchtlingsströmen leidet, sieht das plötzlich ganz anders aus.»

SVP-Bundesrat Ueli Maurer sei vorgängig über den Brief in Kenntnis gesetzt worden, sagt Fraktionschef Adrian Amstutz auf Anfrage. Maurers Kommunikationschef bestätigt dies. Da der Brief an Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga adressiert sei, werde sie über das weitere Vorgehen entscheiden. «Der Bundesrat hat bisher nicht über das Thema diskutiert», heisst es bei Bundesratssprecher André Simonazzi. Stünde ein Gespräch zum Thema an, würde dies die Regierung allerdings nicht im Voraus bekannt geben.

«... dann ist die Idee eines solidarischen Europas gescheitert»

Zurzeit hat die Situation in den Nachbarländern keine Auswirkungen auf die Schweiz, wie es bei der Eidgenössischen Zollverwaltung heisst. Allerdings könnten keine Prognosen abgegeben werden, wie sich die Zahl der Flüchtlinge in der Schweiz verändern wird. Zur Sicherheit hat das Grenzwachtkorps sein Personal an den «Hot Spots» an der Süd- und Ostgrenze der Schweiz verstärkt. Auch die St. Galler Kantonspolizei sieht bislang keine Anzeichen dafür, dass die Flüchtlinge wegen der Grenzkontrollen in Deutschland und Österreich in die Schweiz ausweichen würden. In Buchs SG sind gestern nach Polizeiangaben 41 Asylsuchende angehalten worden – das seien nur «marginal» mehr als in den letzten Tagen.

SP-Aussenpolitiker Eric Nussbaumer glaubt nicht, dass Grenzkontrollen im Falle eines Anstiegs der Flüchtlingszahlen das richtige Rezept wären: «Eine Flüchtlingskrise kann man nicht meistern, indem man einen Zaun hochzieht und ein paar Grenzkontrollposten errichtet.» Es sei nun die gemeinsame Herausforderung aller europäischen Staaten, «innert weniger Tage» eine Lösung zu finden. Zuerzeit diskutieren die europäischen Innen- und Justizminister in Brüssel über ein Massnahmenpaket. Im Zentrum der Debatte steht ein permanenter Verteilschlüssel, an dem sich alle Dublin-Staaten beteiligen müssen – auch die Schweiz. Doch die Chancen auf eine Einigung sind bislang gering, insbesondere Ungarn, Polen, Tschechien und die Slowakei stellen sich quer.

«Wenn es nicht gelingt, die Flüchtlingsverteilung gemeinsam zu regeln und wieder Ordnung ins System zu bringen, ist die Idee eines solidarischen Europas an den Egoismen der Nationalstaaten gescheitert», so Nussbaumer. Die Frage, ob Deutschland mit dem aktuellen Entscheid Schengen-Dublin in dieser Flüchtlingskrise ausheble, sei in dieser Situation irrelevant.

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