SP fordert weitere EU-Debatte - Büchel und Bürgerliche bocken

veröffentlicht am Mittwoch, 29.04.2015

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SP fordert neue Europa-Debatte, Bürgerliche winken ab

Von Philipp Loser. Aktualisiert am 29.04.2015

In der Sondersession von nächster Woche will die SP eine neue Auslegeordnung zur Schweizer Europapolitik diskutieren. Der Bundesrat will diese Vorstösse annehmen – doch die Bürgerlichen bocken.

 

Wir hatten solche Diskussionen früher auf dem Pausenplatz. «Immer einmal mehr!», riefen wir, und wähnten damit jede weitere Debatte erledigt. «Spiegel!», schallte es zurück, wir konterten mit «Doppelspiegel!». Diese Finessen kindlicher Argumentationskultur lassen sich im Moment auch in der Schweizer Politik beobachten. «Wir sind die wahren Bewahrer des bilateralen Weges!», verkündet die FDP. «Stimmt gar nicht. Wir sind es!», entgegnen CVP und BDP und GLP und SP. (René Zeller, Inlandchef der NZZ, hat darüber eine vergnügliche Kolumne verfasst.)

Derweil, in der ernsten Politik, verkündet die EU, dass aus einem neuen Stromabkommen mit der Schweiz bis auf weiteres nichts wird. Das zeige einmal mehr, wie verkehrt die Debatte in der Schweiz laufe, wie unlauter auch, sagt SP-Nationalrat Eric Nussbaumer (BL). «Es ist keine Überraschung, ist das Stromabkommen gescheitert. Ohne einen institutionellen Rahmen wird es keine weiteren Wirtschaftsabkommen mit der EU geben.»

Eine fundierte Diskussion

Gleich argumentiert SP-Präsident Christian Levrat (sein ursprüngliches Bekenntnis zu den Bilateralen «ohne Abstriche» hatte die anderen Parteien erst aus der Reserve gelockt). «Es wird immer deutlicher, dass wir den bilateralen Weg nur weiterentwickeln können, wenn wir eine institutionelle Lösung ins Auge fassen.» Das müsse der Bevölkerung bewusst werden, sonst sei eine fundierte Diskussion, die über die «Fremde-Richter-Polemik» hinausgehe, nicht möglich. Die Bürgerlichen würden diese Diskussion um jeden Preis verhindern. «Die FDP tut so, als wäre eine Kontingentierung der Zuwanderung und ein Inländervorrang mit den Bilateralen kompatibel, die CVP verkündet, dass die Personenfreizügigkeit auch ohne institutionelles Abkommen weiterbestehen kann. Beides ist falsch.»

Nussbaumer und Levrat wissen, dass diese «fundierte Diskussion» nicht von den Sozialdemokraten alleine geführt werden kann. Darum hat die SP bereits kurz nach der Abstimmung über die Masseneinwanderungsinitiative zwei Vorstösse an den Bundesrat eingereicht, die eine «Neueröffnung der Europadiskussion» verlangen, und nach dem Vorbild des Integrationsberichts von 1999 eine «vergleichende Analyse möglicher Auswirkungen der Fortsetzung des Bilaterismus mit oder ohne neue institutionelle Lösung und eines EU-Beitrittes auf die Schweiz» fordern.

Alle Optionen

In der Sondersession von nächster Woche wird der Nationalrat die Vorstösse behandeln und sich gleichzeitig mit dem ominösen EU-Beitrittsgesuch der Schweiz befassen – Lukas Reimann (SVP, SG) verlangt, dass der Bundesrat das Gesuch zurückzieht und damit «Klarheit schafft». Während der Bundesrat die Forderung von Reimann ablehnt («Das Beitrittsgesuch beeinflusst die Verhandlungen mit der EU in keiner Weise, und dessen Rückzug brächte der Schweiz keinen Nutzen.»), ist er gewillt, die beiden Vorstösse der SP anzunehmen, um «alle möglichen Optionen» für die Politik der Schweiz gegenüber der EU zu analysieren.

«Wenn es dereinst tatsächlich eine Lösung mit der EU geben sollte, brauchen wir diese Auslegeordnung, um die Lösung richtig beurteilen zu können», sagt Nussbaumer. Die EU sei in den vergangenen Jahren nicht stillgestanden, da schade es nicht, wieder einmal alle Optionen darzulegen – inklusive eines Beitritts.

«Ein schöngeistiges Berichtli»

Ob sich das Parlament auf die Diskussion einlassen wird, ist allerdings fraglich. SVP und FDP bekämpfen beide Vorstösse. «Wir brauchen jetzt keine schöngeistigen Berichtli», sagt FDP-Nationalrat Walter Müller (SG). Man müsse stattdessen die vorhandenen Ressourcen bündeln und endlich die anstehenden Probleme lösen.

Roland Büchel (SVP, SG) unterstellt der SP eine «durchsichtige politische Absicht»: «Die SP will uns weiter der EU annähern.» Auch sei es taktisch ungeschickt, wenn man in Verhandlungen wie jenen mit der EU von vornherein die Position der Gegenseite einnehme. «Die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative ist jetzt prioritär, sonst gar nichts.» Es gehe auch nicht an, den bilateralen Weg in den Verhandlungen auf die gleiche Stufe wie die SVP-Initiative zu stellen, sagt Büchel. Und ist damit im Moment wohl der einzige Politiker in der Schweiz, der nicht das hohe Lied auf die bilateralen Verträge singt. (baz.ch/Newsnet)

Erstellt: 29.04.2015, 14:16 Uhr

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