Büchel im Nationalrat zu den verletzten Soldaten in Mali - veraltete Risikoanalyse

veröffentlicht am Dienstag, 17.03.2015

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Burkhalters veraltete Risikoanalyse

Von Beni Gafner, Bern.

Der Bundesrat nimmt den Tod seiner Minenräumer in Kauf: Die Risikoanalyse für den Einsatz ist über 19 Monate alt.

Die Unprofessionalität, mit der Bundesrat Didier Burkhalter (FDP) Anfang März drei Munitionsexperten der Schweizer Armee in das Kriegsgebiet von Mali schicken liess, spottet jeder Beschreibung. Die Risikoanalyse für den Einsatz der Schweizer Minenräumer stammte von der UNO und vom Militärischen Nachrichtendienst und ist über 19 Monate alt.

Dies geht aus einer Antwort des Bundesrats hervor, auf eine Frage von SVP-Nationalrat und Sicherheitspolitiker Thomas Hurter. In einem Krieg kann sich die Lage im Extremfall innert Stunden ändern. Nötig wäre deshalb eine permanente Überprüfung der Lage vor Ort, bevor Soldaten nach Mali entsendet werden.

Für den Einsatz der drei festangestellten Schweizer Armeeangehörigen, die bei der Terrorattacke in der Nacht auf den 7. März in Malis Hauptstadt Bamako nur knapp mit dem Leben davonkamen, lag somit keine aktuelle Sicherheitsanalyse vor. Beim Terrorangriff auf das Restaurant La Terrasse in Bamako starben fünf Menschen.

Im Kugelhagel des islamistischen Attentäters wurden zwei Schweizer schwer verletzt. Sie mussten notoperiert und in die Schweiz geflogen werden. Ein Schweizer blieb unverletzt. Eines der Schweizer Opfer ist der Chef humanitäre Minenräumung im Kompetenzzentrum für Kampfmittelbeseitigung und Minenräumung der Schweizer Armee (Kamir). Er liegt mit schweren Bauchverletzungen im Berner Inselspital und ist ausser Lebensgefahr.

Frieden fördern in Mali

Insgesamt fünf verschiedene Anfragen zum Anschlag in Mali hatte der Bundesrat gestern in der Fragestunde des Nationalrats zu beantworten. Das Aussendepartement (EDA) gab auf alle fünf Fragen dieselbe schriftliche Antwort. Aussenminister Didier Burkhalter weilte gestern in Indonesien auf Staatsbesuch und konnte die Antwort deshalb nicht mündlich geben. Das EDA trägt die politische Verantwortung für den Mali-Einsatz, das Verteidigungs­departement (VBS) die operative Verantwortung.

In der Antwort auf die fünf Anfragen verteidigt das EDA den Einsatz der Schweiz in Mali. «Die militärische Friedensförderung ist ein Verfassungsauftrag an die Armee», ist zu lesen. Die UNO-Mission in Mali habe unter anderem den Auftrag, die malischen Behörden bei der Räumung von Minen und Blindgängern sowie in der Bewirtschaftung und Sicherung von Waffen und Munition zu unterstützen.

Weiter schreibt das Departement Burkhalter: «Es liegt im aussen- und sicherheitspolitischen Interesse der Schweiz, zur Stabilisierung von Mali und der Region beizutragen, um Konflikte einzudämmen, das bisherige Engagement der Schweiz nachhaltig zu stärken und sich mit den internationalen Bemühungen solidarisch zu zeigen.» Indirekte und direkte Folgen der Gefahren in Mali könnten eines Tages auch die Schweiz treffen, befürchtet das EDA. Dann folgt die Ausführung zur Frage von Nationalrat Hurter, dem Präsidenten der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrats. Dieser ging in seiner Frage davon aus, «dass vor dem Einsatz eine umfassende Bedrohungs- und Risikoanalyse durch das EDA durchgeführt wurde». Hurter erkundigte sich konkret nach dem Resultat dieser Analyse.

Auf das Resultat der Analyse geht das EDA in seiner Antwort gar nicht ein. Es schreibt: «Die UNO und ihre Expertinnen und Experten vor Ort haben eine Sicherheits- und Risikoanalyse durchgeführt, aufgrund welcher auch der Militärische Nachrichtendienst eine eigene Analyse vorgenommen hat.» Der Bundesrat habe daraufhin am 14. August 2013 das VBS ermächtigt, die UNO-Mission in Mali mit bis zu acht unbewaffneten Armeeangehörigen zu unterstützen.

Fragesteller sind unzufrieden

Damit wird klar, dass vom EDA keine aktuelle Sicherheitsanalyse vorlag, als die Schweizer Minenräumer für Abklärungszwecke nach Mali beordert wurden. Nationalrat Hurter reagierte gestern so: «Aus der Antwort geht nicht hervor, ob eine aktuelle Lagebeurteilung vorgenommen wurde. Sollte dies nicht der Fall gewesen sein, wäre das grob fahrlässig.» Das Thema sei in der Sicherheitspolitischen Kommission bereits traktandiert.

Enttäuscht von der Antwort aus dem EDA zeigten sich gestern auch die SVP-­Nationalräte Roland Borer (SO), Roland Büchel (SG) und Andrea Geissbühler (BE). Borer bezichtigte Aussenminister Didier Burkhalter der Effekthascherei. Aussenpolitiker Büchel sagte, die Antwort sei voller Plattitüden. Seine Frage nach «weiteren derartigen Einsätzen» bleibe unbeantwortet. Mali stabilisieren zu wollen, sei naiv.

Auch Sicherheitspolitikerin Andrea Geisbühler beklagte, auf ihre Frage gehe der Bundesrat gar nicht erst ein. Sie wollte wissen, weshalb die Schweiz Minen­räum­aktionen nicht primär in Regionen durchführe, «welche konfliktfrei sind und wo alle ehemaligen ­Konfliktparteien derartigen Aktionen zustimmen».

(Basler Zeitung)

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