Büchel kritisiert lächerlich tiefe Strafe für Schweiz-Rückkehrer aus dem Dschihad

veröffentlicht am Donnerstag, 11.12.2014

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Schweizer Dschihadist stolpert über Homo-Bilder

Er wollte lieber WC flicken als kämpfen und die Brutalität des IS schockierte ihn: Die Geschichte des Walliser Dschihadisten zeigt, wie naiv viele IS-Anhänger in den Krieg ziehen.

Der Dschihadist Sébastien* ist von der Bundesanwaltschaft Ende November mittels Strafbefehl zu 600 Stunden gemeinnütziger Arbeit bedingt verurteilt worden. Das Strafmass erstaunt, hat sich Sébastien doch einer terroristischen Organisation angeschlossen, die als besonders gefährlich gilt.

 

Den Akten kann man die ganze, etwas absurde Geschichte des Wallisers entnehmen. So ist er am 25. Dezember 2013 im syrischen Ort Kafarjoum, südwestlich von Aleppo, angekommen, nachdem er mit anderen Dschihad-Anhängern über die grüne türkische Grenze gelotst worden war.

Bilder mit homosexuellen Inhalten

In Kafarjoum wurde er in einem Trainingscamp des IS untergebracht, in dem – von den anderen abgetrennt – auch Selbstmordattentäter ausgebildet wurden. Sébastien hat dort an theoretischen Ausbildungslehrgängen zum Umgang mit Waffen teilgenommen. Seine Dienste bot der 30-Jährige aber vor allem für sanitäre Arbeiten an. An den Übungen im Gelände nahm er im Gegensatz zu den anderen im Lager nicht teil. Dann wurde er offenbar krank.

Anfang Januar wurde er mit einem Konvoi von rund 120 Fahrzeugen zuerst an einen Checkpoint und dann nach Rakka verlegt, der Hochburg des IS. Mitte Januar kam er dort an und wohnte einige Tage in einem Haus am Euphrat, bis er von einem Mitarbeiter des IS-Geheimdienstes befragt und bedroht wurde. Dieser hatte bei ihm offenbar Bilder mit homosexuellen Inhalten gefunden, die Sébastien aus der Schweiz mitgebracht hatte.

54 Tage in Rakka im Gefängnis

Nach dieser Einvernahme wurde Sébastien verhaftet und in Rakka in ein Gefängnis gesteckt und blieb 54 Tage inhaftiert. Mitte März 2014 befahl ein Richter in Rakka seine Freilassung, worauf der Romand sofort in die Türkei floh. Bei seiner Rückkehr in die Schweiz am 17. März wurde er direkt am Flughafen in Genf verhaftet.

Zunächst erzählte er den Behörden, er habe in Syrien eine Fotoreportage über das Leben der Bevölkerung machen wollen. Konfrontiert mit seinen Konversationen mit IS-Leuten in sozialen Netzwerken gestand er dann aber alles.

Waffenbruderschaft des IS idealisiert

Ein psychiatrisches Gutachten attestierte Sébastien daraufhin eine partielle Unzurechnungsfähigkeit, weil er bei zwei Unfällen 2003 und 2008 ein Schädelhirntrauma erlitt und immer noch mit den Folgen zu kämpfen hat. Weil er zudem keine Vorstrafen aufweist und nachweislich alle Kontakte mit radikalen Islamisten abgebrochen hat, kam die Bundesanwaltschaft zu diesem milden Urteil.

Sie hält dabei fest, dass Sébastien wohl vor allem aus Naivität, Charakterschwäche und einer Idealisierung der Waffenbruderschaft dieser Männergemeinschaft nach Syrien ging. Sobald er mit der Gewalttätigkeit des IS konfrontiert war und sich seines Irrtums bewusst gewesen sei, habe er zurück in die Schweiz gewollt, so der Strafentscheid.

*Name geändert

(ann)

 

So bewerten Politiker den Strafbefehl:

Nationalrat Andreas Aebi, SVP: «Wie kann man so jemanden nur bedingt verurteilen. Ich finde es ist zu wenig, das geht nicht. So ein Strafbefehl hat ja keine abschreckende Wirkung.»

Nationalrat Carlo Sommaruga, SP: «Um beurteilen zu können, ob das Strafmass angemessen ist, muss man den Fall genau kennen, wissen, was er dort genau gemacht hat. Es macht einen Unterschied, ob er bloss an einer Ausbildung teilnahm, oder in Kampfhandlungen verwickelt war oder gar tötete. Zentral ist, dass er verurteilt wurde. Seine Schuld steht fest.»

Nationalrat Roland Rino Büchel, SVP: «Es kann nicht sein, das dermassen gefährliche Personen mit so lächerlichen Strafen davon kommen. Das ist geradezu eine Einladung für andere, dasselbe zu tun.»

Nationalrätin Claudia Friedl, SP: «Mitgliedschaften bei kriminellen Organisationen und fremder Militärdienst gehören bestraft – das wurde er, und das ist richtig. Scheinbar wurde der junge Mann einsichtig, ohne schlimmere Handlungen begangen zu haben. Da habe ich Vertrauen in die Schweizer Justiz, solche Fälle richtig zu beurteilen.»

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