Friedrun Burkhalter, die achte Bundesrätin?

veröffentlicht am Donnerstag, 09.10.2014

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Die achte Bundesrätin

Friedrun Burkhalter folgt ihrem Mann Didier auf Schritt und Tritt und irritiert damit andere Bundesräte.

Sie hat es weit gebracht, die Friedrun Burkhalter, geborene Schuchter, Jahrgang 1967, jüngster Spross einer neunköpfigen Kinderschar, aus Amerlügen im Vorarlberg. Das ist ein Weiler mit 65 Häusern, die politische Gemeinde ist Frastanz. Und es will schon etwas bedeuten, wenn man es von hier an die Seite eines Schweizer Bundesrates schafft und mit Staatsoberhäuptern aus aller Welt anstossen darf.

Versucht sich der Bundespräsident als Jodler im olympischen Dorf in Sotschi, amüsiert sich seine Frau daneben mit aufgesetzter Russenmütze. Sie ist als einzige Katholikin der Schweizer Delegation an seiner Seite, wenn Didier Burkhalter der Amtseinführungsmesse von Papst Franziskus beiwohnt. Sie geht mit ihrem Mann auf Dienstreise nach Irland, zum Staatsbesuch nach Polen und ist an seiner Seite, wenn er an der traditionellen SVP-Albisgütli-Tagung auftritt.

«Ich verdanke ihr alles»

Selten zuvor drängte sich die Gattin eines Schweizer Bundesrats derart ins Rampenlicht. «Sie hilft mir», pflegt der Bundespräsident zu sagen, wenn man ihn auf die Dauerpräsenz seiner Gattin anspricht. Doch meistens stiehlt sie ihm die Show, wie nach der Wahl zum ­Bundespräsidenten im Dezember 2013. Frau Burkhalter legte einen souveränen Auftritt hin. Und die Medien warfen die etwas ketzerische Frage auf, wer denn nun Bundespräsident sei, der Didier oder die Friedrun. Aber das stört Burkhalter nicht, er verehrt seine Gattin wie eine Säulenheilige. «Ich verdanke ihr alles», sagte der Bundespräsident.

Sie selber hat bisher in der Öffentlichkeit nicht viel gesagt. Man bekommt auch keinen Gesprächstermin. Ausserdem erweckt die fotogene Gattin von Didier Burkhalter den Eindruck, als habe sie sich bei ihren Auftritten etwas mehr Zurückhaltung auferlegt – aber nicht, weil sie ihrem Mann vor der Sonne steht, sondern weil ihre Dauerpräsenz vor allem andere Bundesräte nervt, wie der Vizepräsident der Aussenpolitischen Kommission (APK), Nationalrat Roland Büchel (SVP, SG), vermutet.

Burkhalters Informationschef, Jean-Marc Crevoisier, versichert, es gebe keine Medienstrategie für Madame Burkhalter und auch keine Anweisungen, wie sie sich gegenüber Medien ­verhalten solle. Ob sie Bundesräten auf die Nerven gehe, wisse er nicht. Ihre Anwesenheit in New York in der letzten Septemberwoche, wo Gatte Didier zur UNO-Vollversammlung anreiste, ging im Vergleich mit früheren Auslandsreisen trotzdem fast unbemerkt über die Bühne – hätte da nicht ein Team des Schweizer Fernsehens die Burkhalters vor dem Hotel überrascht.

Pikantes Detail

Die Szene spricht für sich: Der Bundespräsident tritt aus dem Hotel, hinter ihm seine Gemahlin. Als Frau Burkhalter die Kamera erblickt, hüpft sie überrascht herum, will in die Lobby zurück, wendet sich dann aber ab, als wolle sie nicht erkannt werden. Vorne marschiert Burkhalter zielstrebig in Richtung Mikrofon. Pikantes Detail: Während des Filmbeitrags wird ein Foto der Burkhalters zwischen Barack und Michelle Obama aufgeschaltet, als wolle man der Anwesenheit von Friedrun Burkhalter in New York nachträglich noch einen offiziellen Anstrich verpassen. Das war wohl so nicht vorgesehen.

Auch bei der Einweihung der Du­nant-Spitze auf dem Gornergrat im Wallis am Montag stand die Frau des Bundespräsidenten auffällig im Hintergrund. Gleichentags steht in der Gemeinde Saillon im Unterwallis ein weiterer Termin auf dem Programm. Die Fotografen von «Le Matin» fokussieren auf Monsieur Burkhalter und nicht auf Madame. Noch vor einigen Monaten wäre sie tags darauf mit dem Bundespräsidenten auf der Titelseite der Zeitung erschienen. So viel Zurückhaltung ist man von der inoffiziellen Schweizer First Lady nicht gewohnt.

Das mit den Ehepartnern der Bundesräte sei halt schwierig, sagt Alt-Bundesrat Christoph Blocher. Es gebe dafür keine klare Regelung. Er selber habe als Bundesrat mit seiner Frau verabredet, dass sie ihn dann begleite, wenn dies das Protokoll verlange. So, als der türkische Justizminister ihn zur Jubiläumsfeier «100 Jahre Schweizer Zivilgesetzbuch» in die Türkei eingeladen habe. Die Türkei hat das Schweizer Zivil­gesetzbuch fast integral übernommen. Der türkische Justizminister habe die Teilnahme der Ehefrau explizit gewünscht. Darum habe ihn seine Gattin auf dieser Reise begleitet. CVP-Nationalrat Gerhard Pfister (ZG) sieht keinen Grund für eine verstärkte optische Präsenz von Gattinnen und Gatten von Bundesrätinnen und Bundesräten, «da ich keinerlei politischen Mehrwert für die Schweiz sehe», sagt Pfister.

Ärger wegen Bundesratsgatten

Im Gegenteil: Tauchen die Ehegattinnen aus der Anonymität auf, war dies öfters für die jeweiligen Bundesräte mit Scherereien verbunden. Die erste Frau im Bundesrat, Elisabeth Kopp (FDP, ZH), stolperte in den 1980er-Jahren über die Machenschaften ihres Gatten, des bekannten Zürcher Rechtsanwalts Hans W. Kopp. Der frühere Wirtschaftsminister Pascal Delamuraz (FDP, VD) musste wegen seiner Ehefrau im Parlament ­Kritik einstecken – weil die Gattin die Dienstlimousine zum Einkaufen in Bern benutzt hatte. Von der Frau von alt ­Bundesrat Joseph Deiss (CVP, FR) ist überliefert, dass sie die Kaiserin Japans zur Begrüssung umarmte, aus japanischer Sicht eine Ungeheuerlichkeit.

Von Friedrun Burkhalter sind bisher keine Fehltritte bekannt. Sie ist charmant und elegant. Blocher, der sie an der Albisgütli-Tagung kennengelernt hat, schwärmt von ihr: «Sie ist eine fröhliche Person.» Sie habe ihn während des Abends auch gleich gefragt, ob man sich duzen könne. Im Juni 2012 kam es wegen ihr hinter den Fassaden des Bundeshauses dennoch fast zum Eklat. Die burmesische Freiheitskämpferin und Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi war zu Besuch in Bern. Die Dame, obwohl am Ende ihrer Kräfte, wurde von Aussenminister Burkhalter herumgezeigt wie ein Tanzbär. Am Ende dann das obligate Foto in der Lobby des Hotel Bellevue. Es stellten sich auf: die Bundesrätinnen Simonetta Sommaruga und Eveline Widmer-Schlumpf, Aung San Suu Kyi und Burkhalter. Und neben ihm Friedrun – als wäre sie auch eine Bundesrätin.

Naserümpfen in der Regierung

Die beiden Bundesrätinnen machten gute Miene zum bösen Spiel, hinter den Kulissen brodelte es. Es war das Jahr, während dem Burkhalter seine Gemahlin praktisch auf jede zweite Auslandsreise mitnahm und ihre Dauerpräsenz zu einem unausgesprochenen Dauerärgernis für andere Bundesräte wurde. Frau Burkhalter begleitet ihren Gemahl heute nicht mehr so oft wie in der Vergangenheit, so Sprecher Crevoisier. 2014 sei sie fünfmal mit ihm auf Reisen gegangen, nach Polen, Irland, Sotschi, Rostock und New York. Aber die Reise nach New York machte Friedrun Burkhalter bei den anderen Departementen wieder zum Thema.

Im trauten Kreis rümpften Regierungsmitglieder darüber die Nase, dass Frau Burkhalter am traditionellen Galadinner von US-Präsident Obama teilnahm. Das Protokoll verlange bei diesem Essen nicht explizit die Anwesenheit der Ehegatten, auch wenn einige Staatschefs ihre Partner mitnähmen. Die Schweizer Vertreter seien bisher meist ohne bessere Hälfte dort erschienen. Die anderen Bundesräte bekommen daheim von ihrem Partner nämlich vorgehalten, wieso sie eigentlich beim Dinner mit dem US-Präsidenten nicht dabei sein durften. Man müsse das Amt und das Private strikte trennen, geben Bundesräte dann entschieden zurück.

Viele Männer in Burkhalters Stab

Burkhalter verhält sich anders. Die Beziehung zu seiner Frau kultiviert er in der Öffentlichkeit wie eine endlose ­Liebesgeschichte. Begonnen hat sie vor 30 Jahren während eines Sprachaufenthalts in England. Sie war 16, er sieben Jahre älter. Sie kehrte danach nach Amerlügen zurück, packte ihre Sachen und zog entschlossen zu ihrer Schwester in die Schweiz, in die Nähe ihrer grossen Liebe. Mit 19 Jahren heiratet sie ihren Didier. Die Burkhalters haben drei erwachsene Kinder. 2009 kommt die Familie ganz oben an: Die Bundesversammlung wählt den Neuenburger Ständerat in den Bundesrat, seither klebt Friedrun an ihrem Gatten. 
Das fiel in Bern schon auf, als Burkhalter noch Vorsteher des Eidgenössischen Departements des Innern (EDI) war. Sie sei damals sogar bei geschäftlichen Besprechungen zwischen Burkhalter und Mitarbeitern zugegen gewesen, erinnern sich EDI-Mitarbeiter. Crevoisier, schon damals sein Informationschef, sagt: «Das stimmt nicht.»

So richtig zum öffentlichen Thema wurde Madame aber erst nach Burkhalters Wechsel ins EDA. Intern zerreissen sich seither Diplomaten den Mund über die Frau des Chefs. Sie verkompliziere alles. Weil sie viel mitreise, müssten die Botschaften für die Gemahlin ein Programm zusammenstellen.

Die Tischordnung durcheinandergebracht

Auffallend ist auch, dass in Burkhalters Entourage fast ausschliesslich Männer arbeiten. Da habe Madame wohl ihren Einfluss geltend gemacht. Problematisch wird die Love Story, wenn das diplomatische Protokoll dazwischenfunkt. Früher habe Frau Burkhalter die Tischordnung durcheinandergebracht, weil sie neben ihrem Didier habe sitzen wollen. Inzwischen tut sie das nicht mehr, sagen Insider. Auch das Händchenhalten auf Auslandsbesuchen könne zum Problem werden. Das Protokoll schreibe minutiös vor, wer in welcher Reihenfolge begrüsst wird. Das sei plötzlich nicht mehr klar, wenn Herr und Frau Burkhalter händchenhaltend aus dem Flugzeug stiegen.

Nationalrätin Christa Markwalder (FDP) findet die Auftritte von Friedrun Burkhalter trotzdem gut. In der Aussenpolitik könne dies sehr hilfreich sein, weil sie auf der informellen Ebene zusätzliche Kanäle öffnen könne. Burkhalter selbst sagt, seine Frau verfolge auf Auslands­reisen eigene Programme. Madame Burkhalter nützt die Staats­besuche zum Aufbau eines eigenen Netzwerks. In New York nahm sie an einer Tagung zum Thema Autismus teil. Eingeladen hat sie die Frau von UNO-Generalsekretär Ban Ki-Moon, Yoo Soon-taek. Die beiden kennen sich seit dem Atomgipfel in ­Südkorea 2012 und pflegen seither regelmässigen Kontakt.

Das Programm von Madame

Ohne Burkhalter traf sie sich auch mit der türkischen First Lady, Emine Erdogan, mit Valérie Trierweiler, als diese noch Lebenspartnerin des französischen Präsidenten François Hollande war, und mit Margarita Barroso, der Frau des früheren EU-Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso. Beim Treffen mit Hollandes Lebenspartnerin Trierweiler sollen die Damen über einen künftigen Staatsbesuch von Hollande in der Schweiz gesprochen haben. Frau Burkhalter soll Frau Trierweiler dabei zum Beispiel auf den Staats­besuch des früheren Ministerpräsidenten François Mitterrand in Neuenburg hingewiesen haben.

Viel brachten diese Bemühungen nicht. Die Beziehungen zu Frankreich sind seither nicht besser geworden. ­Hollande kam auch nicht auf Staats­besuch. Einen Platz im Sicherheitsrat der UNO haben wir immer noch nicht. Und mit der EU erleben wir derzeit schwierige Momente. Aber auf dem roten Teppich macht Friedrun Burkhalter, geborene Schuchter aus Amer­lügen, trotzdem bella figura. (Basler Zeitung)

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