Nationalrat will, anders als Büchel, weiterhin Entwicklungshilfe an Kriegsmächte leisten

veröffentlicht am Dienstag, 16.09.2014

NZZ, TagesAnzeiger, div. Medien


www.nzz.ch/wirtschaft/newsticker/nationalrat-will-entwicklungshilfe-nicht-als-druckmittel-einsetzen-1.18384138

www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/Entwicklungshilfe-soll-kein-Druckmittel-sein/story/24717833

Nationalrat will Entwicklungshilfe nicht als Druckmittel einsetzen

Bern (awp/sda) - Der Nationalrat will Entwicklungshilfe nicht als Druckmittel in der Migrationspolitik einsetzen. Er hat am Montag eine Motion von Oskar Freysinger (SVP/VS) sowie weitere Vorstösse (Büchel, svp und Vitali, fdp) für Änderungen in der Entwicklungshilfe abgelehnt.

Feysinger forderte, dass die Schweiz die Entwicklungshilfe reduziert, wenn ein Land sich weigert, mit ihr ein Abkommen zur Rücknahme abgewiesener Asylsuchender abzuschliessen. Der Nationalrat lehnte dies aber mit 117 zu 76 Stimmen bei 2 Enthaltungen ab.

Er folgte Aussenminister Didier Burkhalter, der argumentierte, eine solche Koppelung könnte kontraproduktiv sein. Die betroffenen Länder könnten nämlich beschliessen, gar nicht mehr mit der Schweiz zusammenzuarbeiten. «Wir wollen Tore schliessen, aber keine Eigentore», sagte Burkhalter.

Im Jahr 2012 hatte der Nationalrat eine Motion angenommen, die noch weiter ging: Die Schweiz sollte nur noch an jene Länder Entwicklungshilfe leisten, die in Asylfragen mit der Schweiz kooperieren. Der Ständerat lehnte dies jedoch ab. Ja sagten die Räte damals zu einer weniger strikten Verbindung von Entwicklungshilfe und Migrationspolitik. Diese setzt der Bundesrat laut Burkhalter bereits um.

NICHT AN MILITÄRAUSGABEN KOPPELN

Nein sagte der Nationalrat am Montag auch zu weiteren Vorstössen. So soll die Entwicklungshilfe nicht davon abhängen, wie hoch die Militärausgaben eines Landes sind, wie Roland Büchel (SVP/SG) es vorschlug. Nach dem Willen Büchels sollte sich die Schweiz nur noch in Ländern engagieren, die im Verhältnis zum Bruttoinlandprodukt über die letzten fünf Jahre nicht mehr als doppelt so viel für das Militär ausgaben wie die Schweiz.

Burkhalter gab zu bedenken, dies würde die ärmsten Bevölkerungsschichten treffen. Ausserdem wäre es dem Demokratisierungsprozess und der Stabilität dieser Länder abträglich und damit für die Reduktion der Rüstungsausgaben letztlich kontraproduktiv.

0,5-PROZENT-ZIEL BLEIBT

Ferner will der Nationalrat am Ziel festhalten, die Ausgaben für Entwicklungshilfe bis 2015 auf 0,5% des Bruttonationaleinkommens zu erhöhen. Er hat eine Motion für eine Verlängerung der Frist bis 2020 mit 109 zu 82 Stimmen bei 3 Enthaltungen abgelehnt.

Motionär Albert Vitali (FDP/LU) argumentierte, das Ausgabenwachstum in der Entwicklungshilfe sei zu hoch. Burkhalter machte darauf aufmerksam, dass sich das Parlament mit klarer Mehrheit für das Ziel von 0,5-Prozent bis 2015 ausgesprochen habe. Ausserdem liege die Zielvorgabe der UNO bei 0,7%. Fünf mit der Schweiz vergleichbar globalisierte und wohlhabende Länder hätten dieses UNO-Ziel bereits überschritten. Mit dem Nein des Nationalrats sind die Vorstösse vom Tisch.

 

Hier der Text meines Votums im Rat:

Meine Motion verlangt, dass der Bund – und dabei insbesondere die Deza sowie das Seco – sich im Bereich der internationalen Zusammenarbeit, der Entwicklungszusammenarbeit, der multilateralen Zusammenarbeit und der humanitären Hilfe nur noch in Ländern engagieren, welche im Verhältnis zum BIP über die letzten fünf Jahre nicht mehr als doppelt so viel für das Militär ausgaben wie die Schweiz.

Ich nehme dabei explizit jegliche zeitlich begrenzte Soforthilfe an die Zivilbevölkerung bei Naturkatastrophen und internen bewaffneten Konflikten aus. Diese wäre also weiterhin möglich.

Warum habe ich mich entschlossen, diese Motion einzureichen? Sie wissen, dass über die sogenannte Entwicklungszusammenarbeit Hunderte Millionen von der Schweiz in Länder mit gewaltigen Ausgaben für Armee und Kriegsmaterial fliessen.

Nehmen wir das Beispiel Pakistan. Das Land gibt allein für den Unterhalt seiner Atomsprengköpfe jedes Jahr Unsummen aus. Trotzdem hat die Schweiz allein von 2007 bis 2011 für einen dreistelligen Millionenbetrag Entwicklungshilfe geleistet.

Es ist stossend, dass wir auf diese Art Länder unterstützen, die pro Kopf ein Mehrfaches von unseren Verteidigungskosten für ihre Rüstung ausgeben.

Nun hat der Bundesrat in der „Botschaft über die internationale Zusammenarbeit 2013-2016“ den Beitrag der Schweiz zur Bewältigung der Armutsprobleme und der globalen Herausforderungen explizit hervorgehoben.

Arbeiten wir wirklich in Richtung dieses Ziels, wenn wir am Hindukusch (Afghanistan/Pakistan), über ein so genanntes Kooperationsprogramm Millionen für die „Stärkung der guten lokalen Gouvernanz“ Millionen ausgeben?

Es ist beinahe unglaublich naiv, wenn wir den lokalen Machthabern Mittel zur Verfügung stellen und dabei ernsthaft glauben, dass wir damit die Lebensbedingungen armer Bevölkerungsschichten verbessern würden.

Der Bundesrat ist gegen meine Motion. Er sagt in seiner schriftlichen Antwort, ich zitiere: „Die Motion verfolgt den Ansatz, Regierungen mit relativ hohen Rüstungsausgaben indirekt zu sanktionieren.“

Was ist denn daran so schlecht, Herr Bundespräsident? Im Gegensatz zum Bundesrat denke ich, dass dieser Ansatz sehr wohl zielführend ist.

Generell wäre diese Vorgehensweise auf die angestrebte Reduktion der Rüstungsausgaben letztlich kontraproduktiv, phantasiert der Verfasser der bundesrätlichen Antwort weiter.

Die Stellungnahme hat gar amüsante Züge. So steht doch tatsächlich schwarz auf weiss, das Beispiel Nordkoreas zeige, dass die adäquate Antwort auf solche Situationen gezielte Sanktionen seien. Ich möchte Sie an etwas erinnern: An Nordkorea wurden Lieferungen von hochpräzisen Sportwaffen genehmigt. Eine Sesselbahn durfte jedoch nicht geliefert werden.

Soviel zur „adäquaten Antwort“ mittels „gezielter Sanktionen“.

Wenn wir jedoch den vorgeschlagenen, sinnvollen Ansatz über die Streichung der Entwicklungsmillionen wählen, ist es natürlich wichtig, dass wir auf eine saubere Berechnungsgrundlage setzen.

Diese liegt vom renommierten Stockholm International Peace Research Institute (Sipri) pfannenfertig vor. Das Institut wird seit Jahren auch von der Schweiz unterstützt und gilt als weltweit anerkannte Institution.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen. Sie sehen, es gibt eigentlich keine stichhaltigen Gründe, gegen den sinn- und massvollen Inhalt dieser Motion zu sein. Ich bitte Sie deshalb, meinen Vorstoss zu unterstützen.

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