Zu viele Dipolomatenpässe in den Händen von Politikern? Ja, sagt Büchel

veröffentlicht am Mittwoch, 27.08.2014

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Geri Müller war in offizieller Mission in Syrien

Von Dominik Feusi, Bern

Die Verwirrung um Geri Müllers Syrien-Aufenthalt geht weiter. Die Reise nach Damaskus war offenbar viel mehr als eine private Reise. Zudem sind Müllers Chat-Äusserungen zur syrischen Sozial­ministerin aufgetaucht.

Vergangene Woche erklärte Jean-Marc Crevoisier, Informationschef des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA), die Reise sei rein privater Natur gewesen und das EDA habe keine Kenntnisse von deren Inhalt gehabt, auch nicht nachgefragt und auch nach der Reise nicht darüber mit Herrn Müller gesprochen. Man habe Müller bloss die Reisehinweise zu Syrien erläutert. Parlamentarier seien erwachsene Personen, die selber zu entscheiden hätten, was sie unternehmen.

Dies ist aber nur die offizielle Version. Das EDA wusste viel mehr, als es zugibt. Geri Müller informierte nicht nur über die Reise, sondern er hat sie gemäss einem Informanten mit Staatssekretär Yves Rossier besprochen; sogar Bundespräsident Burkhalter war darüber informiert. Nach der Rückkehr in den Libanon wurde Müller in der Schweizer Botschaft empfangen und ging danach mit der dortigen Schweizer Botschafterin in Beirut zum Nachtessen, wo er sie über seinen Besuch unterrichtete.

EDA war froh über Müllers Reise

Müller habe zurückgemeldet, dass die Syrier erstaunt darüber seien, dass die Schweiz die Botschaft von Damaskus ausgerechnet nach Katar verlegt hätten, das die «Terroristen» in Syrien unterstütze. Man sei im EDA froh über Müllers Reise gewesen, um mehr über die Situation in Damaskus zu erfahren. Das EDA beharrt auf seiner Version und bestätigte bloss das Nachtessen in Beirut und den Kontakt mit Staatssekretär Rossier. Dieser habe mit Müller die offizielle Position der Schweiz (also deutlich mehr als die Reisehinweise) erläutert. Das Nachtessen in Beirut habe nicht der Information des EDA gedient.

Dass Müllers Reise viel mehr beinhaltete als bisher bekannt wurde, erfuhr die BaZ auch noch von einer anderen Person, die Müller im Libanon und Syrien begleitete. Dem Begleiter ist wichtig, dass nicht nur vom Treffen mit dem syrischen Parlamentspräsidenten berichtet wird. Dies sei von den rund 15 Treffen in Damaskus das einzige gewesen, das von den syrischen Medien bekannt gemacht worden sei. Daneben habe man rund ein Dutzend weitere Treffen gehabt. Darunter auch Geistliche und einen Politiker von der Regierung zugelassenen Opposition.

Die «dunklen, kräftigen Augen»

Man habe palästinensische Flüchtlingslager, die UNO und die Niederlassung des Komitees des internationalen Roten Kreuzes (IKRK) besucht. Geri Müller habe sich zu jeder Zeit professionell und diplomatisch verhalten. Gemäss der sozialistischen Zeitung Neues Deutschland besuchte Müller auch noch den palästinensischen Botschafter in Damaskus, der von sich selber sagt, dass er der radikalen Hamas nahe steht, die auch Müller verteidigt. Umso mehr erstaunt, dass Müller es auch in Damaskus nicht lassen konnte, mit seiner Chat-Geliebten zu chatten. Der BaZ liegen die aus Damaskus versandten SMS vor (Box links).

Am 14. Februar 2014 gegen Mitternacht kommt Geri Müller von einem Nachtessen mit syrischen Politikern zurück. Besonderen Eindruck hat bei ihm die verschleierte syrische Sozial­ministerin Kinda al-Shamat (40) hinterlassen (hier deren Homepage). Er chattet mit seiner Berner Bekannten über deren «dunkle kräftige Augen, die funkelten, wenn ich widersprach, und die lasziv leuchteten, wenn ich sie bestätigte». Er habe um den Termin mit ihr kämpfen müssen, schreibt er. Umso erstaunter sei er gewesen, als er am Morgen einen persönlichen Anruf von ihr erhalten habe mit einer Einladung zum «Dinner».

«Zu viele Schattenaussenminister»

Die privaten Parlamentarierreisen dürften nun auch Thema in der Aussenpolitischen Kommission (APK) werden. Roland Rino Büchel (SVP, SG), Vizepräsident der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrates: «Eigentlich ist die Idee, dass man den Diplomatenpass zurückgibt, wenn man ihn nicht mehr offiziell braucht.» Man werde schnell instrumentalisiert. «Wir haben heute zu viele Schattenaussenminister. Das aussenpolitische Tagesgeschäft ist Sache des Bundesrates.»

Die Baselbieter CVP-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter begrüsst, dass die Frage diskutiert wird. Es dürfe kein Missbrauch mit Diplomatenpässen geschehen. «Es braucht klarere Regeln, wer einen Diplomatenpass erhält und wozu.»

Auch die FDP-Nationalrätin Doris Fiala sieht das aufgrund von verschiedenen Vorfällen so: «Das sollten wir in der APK diskutieren. Reisen von Parlamentariern in Krisenregionen sind nie ganz privat und man muss aufpassen, dass man nicht zu PR-Zwecken missbraucht wird.» Der aktuelle Präsident der Aussenpolitischen Kommission, der Genfer SP-Nationalrat Carlo Sommaruga, war kürzlich ebenfalls auf einer privaten Reise in den Nahen Osten. Er war gestern für eine Stellungnahme nicht erreichbar. (Basler Zeitung)

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