Büchel-Kläger Thommen klagt nicht gegen Buchautor Glättli

veröffentlicht am Montag, 11.08.2014

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Ecopop wird in einem neuen Buch vom Fraktionschef der Grünen, Balthasar Glättli, frontal angegriffen. Glättli lässt nichts aus. In einem Interview mit der "Zentralschweiz am Sonntag" verstärkt er die Vorwürfe aus dem Buch sogar noch. Trotzdem klagt Ecopop-Geschäftsführer Andreas Thomen dieses Mal offenbar nicht.
 
Die Begründung gibt er ganz am Schluss des Interviews. Sie ist bizarr, denn mit der Klage gegen mich hat er genau das erreicht, was er jetzt verhindern will. Ob er etwas gelernt hat, oder ob er seinem Parteikollegen "nicht weh tun" will? Lesen Sie selbst:
 
Sie gingen schon gegen SVP-Nationalrat Roland Rino Büchel vor Gericht, weil er die Ecopop-Initianten als «Birkenstock-Rassisten» bezeichnet hatte. Erwägen Sie nun eine Klage gegen Balthasar Glättli?
Wir haben uns das überlegt, werden voraussichtlich aber davon absehen. Es wäre kein Problem gewesen, eine superprovisorische Verfügung gegen die Publikation des Buchs zu erwirken, aber die zu erwartende Schlagzeile wäre nicht in unserem Sinn gewesen. Ausserdem erwarten wir nicht, dass das Buch von vielen Leuten gelesen wird.

 

«Wir sind nicht auf Fremdenfeinde angewiesen»

Interview: Felix Schindler. Aktualisiert 494 Kommentare

Ein neues Buch wirft den Ecopop-Initianten vor, sich nicht von «faschistischen Tendenzen» distanziert zu haben. Ecopop-Geschäftsführer Andreas Thommen spricht von Hetze.

Seit heute Montag steht es in den Regalen: das Buch «Die unheimlichen Ökologen» von Balthasar Glättli, Zürcher Nationalrat und Fraktionschef der Grünen. Darin bescheinigt er den Ecopop-Initianten eine «menschenfeindliche Denktradition» und weist auf die Verwandtschaft ihrer Ideen mit den Theorien von Thomas Malthus und Paul Ehrlich hin, die ebenfalls Bevölkerungspolitik mit Ökologie verknüpften. Damit versuchen Glättli und Co-Autor Pierre-Alain Niklaus nachzuweisen, dass sich die Ecopop-Initianten für ihren Vorstoss bei Ansätzen der Eugenik, der «Lehre vom guten Erbe», bedienten.

Die Eugenik versuchte, Erbgut qualititativ zu bewerten und negativ bewertetes Erbgut durch Geburtenkontrolle zu verringern. Ausserdem wirft das Buch den Ecopop-Initianten vor, sie hätten es nicht geschafft, sich von «rechtsnationalen und faschistischen Tendenzen» zu distanzieren. Der Titel des Buches lehnt sich an das 1979 erschienene Buch «Die unheimlichen Patrioten» an, in dem 100 Personen mit rechter oder rechtsextremer Gesinnung öffentlich gemacht wurden.

Die Ecopop-Initiative verlangt, die Nettozuwanderung pro Jahr auf 0,2 Prozent der ständigen Wohnbevölkerung zu begrenzen. Gleichzeitig sollen mindestens 10 Prozent der Entwicklungshilfe für freiwillige Familienplanung eingesetzt werden. Am 30. November wird über die Initiative abgestimmt.

Ecopop polarisiert so stark, dass seit heute eine Streitschrift dagegen in den Buchhandlungen steht. Freuen Sie sich über die zusätzliche Publizität?
Nicht wirklich. Ich finde diese Diffamierungskampagne gegen Ecopop äusserst bedenklich. Balthasar Glättli versucht, uns eine Verbindung zu Eugenikern und Rassisten anzudichten. Das ist jenseits von Gut und Böse. Wir setzen uns für die Selbstbestimmung der Frauen ein, für ein Menschenrecht.

Das Buch wirft Ihnen vor, die Armen daran zu hindern, «ein grösseres Stück vom Kuchen einzufordern». Zu Recht?
Solche Vorwürfe sind eine völlige Verzerrung der Tatsachen. Wir fordern, dass mehr Finanzen in die freiwillige Familienplanung investiert werden. Das ist eine Forderung des UNO-Menschenrechtsrates. Das als eugenisch zu bezeichnen, ist Hetze. Wir rufen die Leute dazu auf, sachlich zu bleiben.

Es sei Ihnen misslungen, sich gegen «rechtsnationale und faschistische Tendenzen» abzugrenzen. Können Sie das widerlegen?
Der einzige Bezug zu rechtsnationalem Gedankengut, den das Buch herstellt, ist Valentin Oehen. Er war in den Anfangszeiten bei uns dabei, konnte sich aber nicht durchsetzen und ging dann zur Nationalen Aktion. Wir haben immer sämtliche Schwarzenbach-Initiativen zur Ablehnung empfohlen und haben immer betont, dass es uns nicht um Überfremdung geht, sondern um Überbevölkerung.

Ecopop ist offensichtlich attraktiv für Exponenten vom äussersten rechten Rand. Der «Blick» machte publik, dass SD-Politiker Jean-Jacques Hegg beigetreten ist.
Es mag eine gewisse Attraktivität für fremdenfeindliche Wähler existieren, aber wir haben diese Leute nie gesucht. Hegg hatte nie eine Funktion bei Ecopop, aber offenbar hat er sich bei uns eingeschrieben. Sollte das zutreffen, wird er meiner Einschätzung nach ausgeschlossen. Wir distanzieren uns in unseren Statuten von Rassismus, deshalb hat einer wie Hegg in unserem Verein nichts verloren.

Ist es ein Problem für die Ecopop-Initiative, dass sie sich ständig von Stimmbürgern distanzieren muss, die ihr zum Abstimmungserfolg verhelfen könnten?
Wir sind nicht auf die Stimmen von fremdenfeindlichen Leuten angewiesen, wir wollen eine ausgewogene Mitte mit einem ökologischen Gewissen überzeugen. Es ist kein fremdenfeindliches Anliegen, gegen das Bevölkerungswachstum zu kämpfen. Aber natürlich können wir uns auch nicht dagegen wehren, wenn uns Leute aus diesen Kreisen unterstützen. Aber wir haben niemals auf deren Linie argumentiert. Unser Argument ist seit jeher der ökologische Fussabdruck.

Mindestens in diesem Punkt sollten Sie und Balthasar Glättli sich einig sein.
Glättli hat nicht verstanden, wie der ökologische Fussabdruck berechnet wird. Auch die Anzahl der Leute spielt bei diesem Konzept eine Rolle. Es ist klar, dass wir unseren Konsum reduzieren müssen, aber wenn wir uns dabei auf ein fixes Mass festlegen und die Bevölkerung gleichzeitig wächst, dann steigt der Gesamtkonsum weiter. Auch die Idee der 2000-Watt-Gesellschaft, die vor 15 Jahren postuliert wurde, wird den Verbrauch nicht stabilisieren, solange die Bevölkerung wächst. Heute müssten wir uns bereits auf 1600 Watt beschränken, um das gleiche Gesamtziel zu erreichen.

In einem Beitrag des Buches heisst es, aus Sicht von Ecopop seien nur «die anderen» schuld an der Überbevölkerung. Tatsächlich habe ich Sie auch noch nie sagen hören, es gebe zu viele Schweizer.
Wir haben uns nie dafür eingesetzt, dass die Geburtenrate in der Schweiz höher wird. Diese ist mit 1,5 sogar zu klein, um die Schweizer Bevölkerung auf gleichem Niveau zu halten. Ohne Zuwanderung würde die Wohnbevölkerung in der Schweiz abnehmen. Dass dafür Ausländer kommen, stört uns nicht. Wir möchten den Afrikanern ein würdiges Leben gönnen, indem sie ihre Geburtenrate senken. Nur mit ein bisschen mehr Bildung und Wohlstand, wie es Glättli propagiert, ist das nicht getan.

In der Schweiz haben ein bisschen mehr Bildung und Wohlstand auch zu einem Rückgang der Geburtenrate geführt.
Das ist aber noch nicht lange so. Und es brauchte dafür auch den Zugang zu Verhütungsmitteln. Erst die Pille hat jungen Frauen ermöglicht, eine höhere Ausbildung zu geniessen. Vor dem Pillenknick sind viele von ihnen während der Ausbildung schwanger geworden.

Sie gingen schon gegen SVP-Nationalrat Roland Rino Büchel vor Gericht, weil er die Ecopop-Initianten als «Birkenstock-Rassisten» bezeichnet hatte. Erwägen Sie nun eine Klage gegen Balthasar Glättli?
Wir haben uns das überlegt, werden voraussichtlich aber davon absehen. Es wäre kein Problem gewesen, eine superprovisorische Verfügung gegen die Publikation des Buchs zu erwirken, aber die zu erwartende Schlagzeile wäre nicht in unserem Sinn gewesen. Ausserdem erwarten wir nicht, dass das Buch von vielen Leuten gelesen wird.

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