Büchel nach Gripen-Niederlage - In einem Abstimmungskampf muss man vor allem dorthin gehen, wo es weh tut

veröffentlicht am Sonntag, 25.05.2014

SonntagsBlick, Blick online


http://www.blick.ch/news/politik/armeechef-andre-blattmann-mit-schoggi-und-guetsli-gegen-den-gripen-frust-id2873225.html

Armeechef André Blattmann hat sich nach dem Gripen-nein erstmals öffentlich zur Pleite geäussert. Mit Schoggi und Biscuits kämpft er gegen den Frust.

Kästchen mit SVP-Kritik: "Kampagne lief nicht gut"

Ueli Maurer (63) besuchte gestern für eine Manöver-Kritik die SVP-Fraktionssitzung. "Das Abstimmungsresultat trifft ihn mehr, als es gegen aussen den Anschein macht", kommentierte Parteikollege Max Binder (66). Und Nationalrat Gregor Rutz (41): "Die Kampagne lief nicht gut." Die Argumente während des Abstimmungskampfs seien zu stark auf die Luftwaffe und zu wenig auf grundsätzliche Fragen ausgerichtet gewesen. "Jetzt müssen wir über dei Bücher." In der SVP wird auch kritisiert, dass ihr Bundesrat an vorderster Front kämpfte. Die Auftritte bei den Offiziersgesellschaften sorgten ebenfalls für Ärger.

Gripen-Befürworter Roland Rino Büchel (48) sieht dei Anlässe als Fehler: " Das hat doch wirklich nichts gebracht. Die Offiziere muss man nicht mehr überzeugen. In einem solchen Abstimmungskampf muss man zu den Skeptikern, in die Städte, zu den Frauen. Man muss, wie im Sport, dorthin gehen, wo es weh tut. Sonst gewinnt man nicht."

Hätte die ganze Schweiz wie Sirnach gestimmt, wäre André Blattmann (58) als Sieger in den Thurgau gereist. Das 7400-Seelen-Dorf votierte letzten Sonntag mit 1262 zu 1087 für den Gripen.

Doch Sirnach ist nun mal nicht die Schweiz: Die groundete den schwedischen Kampfjet. Und der Armeechef kam am Donnerstagabend als Verlierer.

Eingeladen hatte den Korpskommandanten, vor langer Zeit, der Männerverein Sirnach. Ohne zu wissen, dass es ausgerechnet der Tag sein würde, an dem sich Blattnann nach dem Abstimmungsdebakel zum ersten Mal in der Öffentlichkeit zeigen würde – lediglich vor einigen Dutzend Leuten.

Blattmann kam, verteilte Armeeschokolade und Biscuits und machte aus seinem Herzen keine Mördergrube: «Für die Armee war es ein gutes Jahr, bis zum letzten Wochenende», eröffnete der oberste Offizier der Schweizer Armee seine Rede. Nicht nur für die, sondern auch für ihn war die Abstimmung eine Niederlage.

Immerhin hatte Blattmann sein Prestige in den Abstimmungskampf geworfen. Noch kurz vor dem 18. Mai schickte er einen Brief an seine Offiziere. Zum Gripen gebe es keine Alternative, schrieb er an die 18000 Armeekader.

Nach dem Nein bläst er nun zum Rückzug. Die Verantwortung habe für ihn primär die Politik. Sie müsse sich jetzt Gedanken machen, wie es nach dem Gripen-Nein weitergehe. «Alles andere wäre unseriös», bekannte der Spitzenmilitär gegenüber SonntagsBlick.

Ansonsten malt er eher schwarz: «Wer sich nicht selber verteidigen kann, wird zum Spielball der Geschichte.» Könne ein Land Territorium und Luftraum nicht schützen, entstehe ein Vakuum. «Und dieses Vakuum wird irgendwann gefüllt. Hoffen wir, durch die Richtigen.»

Blattmann ist offenbar verletzt. Nicht nur, weil er monatelang erfolglos zu erklären versuchte, warum die Schweiz 3,1 Milliarden in neue Flugzeuge investieren soll. Sondern auch weil er sich zurzeit generell unverstanden fühlt. Mit dem Bekenntnis, Notvorräte zu bunkern, hatte er in der heissen Phase des Gripen-Abstimmungskampfes Häme und Kopfschütteln geerntet. «Es ist eine Verantwortungslosigkeit, über solche Leute zu lachen», verteidigte er Menschen, die sich verhalten wie er.

Auf dem Holzweg seien, wenn schon, die anderen. Diese Woche war die Idee aufgekommen, die Schweizer Luftwaffe könnte mit dem neutralen Nachbarland Österreich kooperieren. «Es ist sehr naiv zu glauben, dass jemand anderes unseren Luftraum schützt als wir selbst.»

Sicher ist: Der einstmals stolzen Schweizer Luftwaffe stehen schwere Zeiten bevor. Kreativität ist angesagt. Offenbar wird zurzeit im Verteidigungsdepartement auch diskutiert, wie sein Aushängeschild Patrouille Suisse am Leben erhalten werden kann. So sollen vier F/A-18-Kampfjets für die Flugstaffel verwendet werden (heute sind es sieben Tiger F-5E), aber nicht speziell lackiert. Damit könnten die Maschinen weiter für den Luftpolizeidienst gebraucht werden. Blattmann wollte den Plan nicht kommentieren. l marcel odermatt

Blattmann Schoggi gegen den Gripen-FrustArmeebiscuits und Schokolade: In Sirnach TG verdaute André Blattmann am Donnerstag seine Niederlage im Kampf um den Gripen.

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