Büchel: Es ist gut für unsere Wirtschaft und die Menschen im Iran, wenn die Sanktionen aufgehoben werden

veröffentlicht am Freitag, 24.01.2014

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Didier Burkhalter will die Sanktionen gegen den Iran aufheben. Roland Büchel, Vizepräsident der Aussenpolitischen Kommission, über die beste Strategie, schöne Worte, Taten und erhobene Zeigefinger.

Herr Büchel, Aussenminister Didier Burkhalter hat am WEF angekündigt, die Sanktionen gegen den Iran aufheben zu wollen. Im Unterschied zur EU und zu den USA kann die Schweiz das nicht teilweise, sondern nur komplett oder gar nicht tun. Würde sie damit zur Schwachstelle im Sanktionsregime gegen den Iran?
Davon ist nicht auszugehen. Sanktionen sind für uns als neutralen Staat grundsätzlich problematisch. Deshalb sollten wir uns insbesondere auf die Erbringung guter Dienste für alle Länder konzentrieren. Die Beherbergung der Syrien-Konferenz ist ein gutes Beispiel dafür. Sanktionen stehen dieser Rolle im Weg. Sicher muss deren Aufhebung hierzulande sorgfältig diskutiert und abgewogen werden.

Aber es ist richtig, einen Schritt auf den Iran zuzugehen. Und weil wir in der Schweiz bezüglich der Sanktionen keine Zwischenlösung wie die EU oder die USA umsetzen können, erscheint mir die Aufhebung der geeignetere Weg als die Beibehaltung. Werden nun die Sanktionen gelockert, kann das dazu beitragen, dass sich der Iran noch mehr in jene Richtung bewegt, die sich die westlichen Staaten vorstellen.

Wie würde sich eine Aufhebung der Sanktionen konkret auf die Beziehungen zwischen der Schweiz und dem Iran auswirken?
Das würde die bilateralen Beziehungen deutlich verbessern. Wir können den Iran nicht mit schönen Worten zu einem zuverlässigen, vertrauenswürdigen Partner machen – es braucht Taten. Jetzt kann die Grundlage für bessere Beziehungen geschaffen werden. Ein ständig erhobener Mahnfinger bringt nichts.

Die Schweiz ist der wichtigste europäische Handelspartner des Iran.
Der Iran ist ein riesiger Markt, der in vielen Bereichen Nachholbedarf hat. Die Schwierigkeit für viele Unternehmen wird sein, dass nun durch die Lockerung der Sanktionen viele ausländische Firmen ins Land drängen. Unsere Unternehmen können in diesem Wettbewerb mit der Qualität der Produkte und der Dienstleistungen punkten.

Welche hiesigen Firmen würden vorab von einer Aufhebung der Sanktionen profitieren?
Maschinenbau- und Energiekonzerne, Pharma- und Chemieunternehmen, Grossbanken: Für sie alle erschliesst sich ein Absatzmarkt. Die Handelsbeziehungen zwischen der Schweiz und dem Iran haben grosses Potenzial.

Viele Sanktionen betreffen Finanzdienstleistungen. Was würde dieser Schritt für die hiesigen Banken bedeuten – käme der grosse Geldsegen aus dem Iran?
Auch die Schweizer Banken werden sich gegen die ausländische Konkurrenz durchsetzen müssen. Sie erhalten aber die Gelegenheit, ihre Kompetenz zu beweisen. Wegen der immensen Rohstoffvorräte verfügen die Iraner auch über reichlich Finanzkapital.

Kommt ein Teil davon in die Schweiz, ist das begrüssenswert. Im Vordergrund stünden wohl aber technische Dienstleistungen wie zum Beispiel Zahlungsabwicklungen. In diesem Bereich verfügt unser Finanzplatz über ausgeprägte Kompetenz.

Auch der Rohstoffhandel war durch die Sanktionen eingeschränkt. Welche Folgen hätte eine Aufhebung für diese Firmen?
Für sie würde sich ein grosses Feld öffnen. Gleichzeitig ist es in diesem Zusammenhang aber wichtig, die Entwicklungen im Atomprogramm im Auge zu behalten. In dieser Hinsicht darf es seitens der internationalen Gemeinschaft keine Nachlässigkeiten geben – auch nicht zugunsten des Handels.

Es ist in den Augen vieler Menschen problematisch, dass Konzerne wie Glencore Xstrata und Trafigura in der Vergangenheit Aluminium an die iranische Firma Iralco geliefert haben, die Aluminium für das umstrittene Atomprogramm bereitstellt.

Der iranische Botschafter in der Schweiz sagte gegenüber dem TA, dass die internationalen Sanktionen Terrormassnahmen seien, weil sie auf die unschuldige Bevölkerung zielten. Beurteilen Sie das ebenso?
Das ist eine Rhetorik, wie sie in diesen Teilen der Welt halt angewandt wird. Grundsätzlich stellt sich bei Sanktionen aber dieselbe Frage wie bei der Entwicklungshilfe: Kommt sie dem Regime oder den Menschen zugute?

Ein freier Handel in geregelten Bahnen hilft der Bevölkerung, ihre Lebensumstände zu verbessern – das zeigt sich auch historisch. Voraussetzung für eine tatsächliche Besserstellung gegenüber heute ist jedoch, dass der Iran seinen gemässigten Kurs beibehält.

Burkhalter wird die Aufhebung der Sanktionen voraussichtlich in der Bundesratssitzung vom nächsten Mittwoch beantragen. Wird das Gremium den Vorschlag gutheissen?
Dafür dürften die nächsten Tage entscheidend sein, weil sich noch deutlicher herausschälen wird, wie sich Präsident Rohani auf der internationalen Bühne präsentiert. Ich habe ihn gestern am WEF in Davos live erlebt: Er hat einen positiven Eindruck vermittelt.

Er streckt der Welt die Hand aus. Fraglich bleibt indes, ob er den Weg der sanften Öffnung auch zu Hause durchbringen kann. Noch offen ist zudem, wie die anderen Länder auf diese jüngsten Entwicklungen und Auftritte reagieren werden. Das wird der Bundesrat sicherlich auch in seinen Entscheid einfliessen lassen. Ich sehe aber gute Chancen, dass Burkhalter mit seinem Antrag durchkommt.

Und wie würden die politischen Reaktionen in der Schweiz ausfallen?
Ein typisches Links-rechts-Muster könnzr sich abzeichnen: SP und Grüne werden sich wohl kritisch äussern – und ähnliche, durchaus berechtigte Menschenrechtsargumente wie bei der Diskussion um das Freihandelsabkommen mit China geltend machen (vgl. dazu die Reaktion von Christian Levrat in der Box).

Bürgerliche sähen die Aufhebung der Sanktionen wegen der wirtschaftlichen Folgen wohl positiver. Meiner Partei, der SVP, sind die Neutralität und der freie Handel wichtige Anliegen.

Auch wenn Bedenken in der Debatte durchaus auf den Tisch kommen dürfen, müssen wir uns bewusst sein: Wenn wir als Land den Moralisten für die ganze Welt spielen, bringt das weder uns noch der Welt - und in diesem Fall der iranischen Bevölkerung - wirklich etwas.

Die Schweiz hat eine Vermittlerrolle zwischen den USA und dem Iran inne. Welchen Spielraum ergäben aufgehobene Sanktionen in dieser Hinsicht?
Wenn die Schweiz für diese Aufgabe dereinst nicht mehr gebraucht wird, wird etwas Gutes geschehen sein. Ziel eines Vermittlers muss es ja gerade sein, sich selbst überflüssig zu machen. Das Auftauen der Beziehungen zwischen den USA und dem Iran deutet darauf hin, dass dies mittlerweile ein durchaus mögliches Szenario ist.

(Tagesanzeiger.ch/Newsnet)

Kästchen:

Auch Christian Levrat (SP), Vizepräsident der Aussenpolitischen Kommission des Ständerats, begrüsst die Ankündigung Burkhalters grundsätzlich: «Die Aufhebung der Sanktionen wäre die richtige Konsequenz aus der Öffnung Teherans. Das böte die Chance, den Dialog über die Menschenrechte zu intensivieren.» Für die SP sei etwa der Schutz der Minderheiten – Kurden, Sunniten, Christen – zentral. Wichtig wäre gemäss Levrat dennoch, aufmerksam zu bleiben, was das iranische Atomprogramm betrifft. Die Sanktionen seien als politisches Zeichen nötig gewesen, doch angesichts der aktuellen Fortschritte ernsthaft zu überdenken. Levrat ist zuversichtlich, dass der Bundesrat Burkhalters Vorschlag gutheissen wird. (rbi)

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