Wenn man für das vermeintlich "Gute" ist, scheint man es nicht genau nehmen zu müssen. Das zumindest ist mein Eindruck, der sich in der letzten Zeit verstärkt hat. Ein aktuelles Beispiel dazu liefert die UNIA-Zeitung "work".
www.workzeitung.ch/tiki-view_articles.php
Ich sagte im Nationalrat das Untenstehende (das Votum kann auch im Video angeschaut werden):
www.parlament.ch/ab/frameset/d/n/4911/425018/d_n_4911_425018_425030.htm
"Erstens soll die Lohnfindung, zumindest im Grundsatz, Sache des Marktes sein. Zweitens ist es die Aufgabe der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer - und allenfalls der Gewerkschaften -, miteinander angemessene Löhne auszuhandeln. In einigen Gesamtarbeitsverträgen werden neben branchenspezifischen Mindestlöhnen auch Lohnsysteme festgeschrieben, d. h., es gibt auch Minimalvergütungen für verschiedene Funktionen. Die Salärvorgaben sind auf die betroffenen Branchen oder Firmen zugeschnitten. Dieses Lohnfindungssystem ist eine Stärke der schweizerischen Arbeitsmarktordnung. Unser Arbeitsmarkt schneidet im internationalen Vergleich hervorragend ab und zeichnet sich durch eine hohe Erwerbsquote, eine tiefe Arbeitslosigkeit und anständige Löhne aus. Kurz: Wir verfügen über eine der effizientesten Lohn- und Arbeitsmarktpolitiken"
Die Chefredaktorin von "work" reduzierte das Votum und schrieb:
A propos Markt: Er soll die Löhne «machen», nicht der Staat. «Die Lohnfindung soll Sache des Marktes sein», rief SVPler und Sportmanager Rino Büchel in den Saal.
http://www.workzeitung.ch/tiki-read_article.php?articleId=2047&topic=1
Psychologie
Editorial von Marie-Josée Kuhn, Chefredaktorin work
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Die Anti-Abzocker-Initiative 1 : 12 hat es gezeigt, und die Mindestlohninitiative zeigt es wieder: Wenn es um die Umverteilung von Geld zugunsten der kleinen Einkommen geht, werden die mit den grossen und ihre Freunde in der Politik deutlich. Zwar trugen die Gegnerinnen und Gegner eines gesetzlichen Mindestlohns von 4000 Franken in der nationalrätlichen Debatte immer die gleichen Argumente vor. SGB-Chefökonom Daniel Lampart nimmt sie in dieser Ausgabe unter die Lupe. Doch zwischen den Zeilen und in den Beispielen, die die Bürgerlichen ausschmückend zu Hilfe nahmen, wurden sie bunter. Zum Beispiel der freisinnige Basler Daniel Stolz: «In den USA gibt es Personen, die im Supermarkt am Rollband bei der Kasse die gekauften Dinge einpacken und dem Käufer übergeben», sagte er. Das sei gäbig. Doch genau solche Jobs werde es mit Mindestlöhnen nicht mehr geben. Was Stolz zu erwähnen vergass: Die Leute, die solche Jobs machen, haben meistens noch zwei, drei andere, weil sie von einem allein nicht leben können.
LOGIK.
Warmherzig auch die Worte von Unternehmer-Politiker Ruedi Noser von der FDP. Im Normalfall solle man von seiner Arbeit leben können, erklärte der Zürcher: «Aber es kann nicht Aufgabe der Wirtschaft sein, für alle Lebenssituationen verantwortlich zu sein. Deshalb leben wir ja auch in einer sozialen Marktwirtschaft.» Wir begreifen Nosers Logik: Die Wirtschaft hat nicht den Menschen zu dienen, sondern die Menschen der Wirtschaft. Und den Aktionären. Geht es schief mit dem Turbokapitalismus, soll es die soziale Marktwirtschaft richten. Jene soziale Marktwirtschaft, die Marktfundamentalisten wie Noser ständig geisseln.
SORGEN.
A propos Markt: Er soll die Löhne «machen», nicht der Staat. «Die Lohnfindung soll Sache des Marktes sein», rief SVPler und Sportmanager Rino Büchel in den Saal.
Und der freisinnige Zürcher Möchtegern-Stapi und Blocher-Verleger Filippo Leutenegger doppelte nach: «Die Mindestlohninitiative würde dazu führen, dass die freien Arbeitsverhältnisse nicht mehr vorhanden sind!» Der Markt, die freien Arbeitsverhältnisse und die Lohnfindung: Indem sie Dinge vermenschlichen und Menschen verdinglichen, halten sich die Mindestlohngegner die Sorgen jener 330 0000 Arbeitnehmenden vom Hals, die weniger als 4000 Franken verdienen. So wie Schuhverkäuferin Tamara H. Sie hat eine abgeschlossene Lehre, ist stellvertretende Filialleiterin. Und doch ist ihr Lohn ein Hohn.