Soll das Volk den Bundesrat wählen können? Ja.

veröffentlicht am Donnerstag, 23.05.2013

Der Rheintaler, Rheintalische Volkszeitung, vimentis.ch



In zwei Wochen stimmen wir darüber ab, ob künftig das Schweizervolk die Bundesräte wählt, oder ob es weiterhin 246 privilegierte Politiker sind.  

Nach einem Rededuell mit Alt-Bundesrätin Micheline Calmy-Rey berichtete das Westschweizer Radio: „Genf und Oberriet liegen etwa so weit auseinander wie ihre Ansichten zur Aussenpolitik. Trotzdem stellt man fest: Die beiden mögen sich.“ Der Kommentator hat Recht. Die Genferin ist intelligent, führungsstark und ehrlich.

Sie hat eine ganz klare Meinung zur Volkswahl des Bundesrats: „Bei dieser Abstimmung geht es um das Prinzip, und das finde ich richtig.“ Ihr geht es um die Sache. Den Gegnern der Volkswahl geht es vielfach ebenfalls ums Prinzip. Aber um ein anderes: Was von der SVP kommt, ist zu bekämpfen. Auch einige Medien können dieser Versuchung nicht widerstehen. So war zu lesen: "Würde der Bundesrat vom Volk gewählt, wäre der zweite SVP-Regierungssitz akut bedroht, wie Umfragen gezeigt haben.“ – Sie wissen: Ueli Maurer ist der einzige SVP-Bundesrat.

"Die Volkswahl wäre der Kollegialität innerhalb des Regierungsgremiums abträglich“, hat es auch geheissen. In den Kantonen und Gemeinden arbeiten die Regierungsmitglieder trotz (oder gerade wegen?) der Volkswahl kollegial zusammen. Ich frage Sie: Ist die Volkswahl nur auf Bundesebene ein Argument gegen die Kollegialität?

"Die Italienischsprachigen haben schlechte Karten, weil die Frankophonen in deutlicher Überzahl sind." Nun, mit dem heutigen System hat der Kanton Tessin seit 14 Jahren keinen Bundesrat mehr. Wenn das Volk am 9. Juni 2013 zur Initiative Ja sagt, haben die sprachlichen Minderheiten zwei Sitze garantiert. Die Chance für eine starke Persönlichkeit aus dem südlichen Landesteil sinkt nicht, sie steigt.

Vor Pfingsten war ich als Mitglied der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrats in Berlin. Dort und in Potsdam kam es zum Kontakt mit verschiedenen Persönlichkeiten – vom Präsidenten des Bundestag über Abgeordnete und Minister bis zum künftigen Botschafter Deutschlands in der Schweiz.

Auf die Frage, ob in der Schweiz das Volk den Bundesrat wählen sollte, bekam ich solches zu hören: „Ihr habt die Demokratie weiter entwickelt als alle anderen Staaten dieser Welt. Ich habe es deshalb nie verstanden, dass die Schweizer es dem Parlament überlassen, die sieben wichtigsten Politiker im Land zu wählen.“

Wenn ich die die Pro- und Kontra-Argumente abwäge, komme ich zum gleichen Schluss wie deutsche Legislativ- und Exekutivpolitiker sowie die Alt-Bundesrätin. Sie finden die Volkswahl aus einleuchtenden Gründen eine positive Sache und sagten fast unisono, dass sie nicht einsähen, warum diese nicht funktionieren sollte.

Mir geht es genauso. Darum stimme ich am 9. Juni mit Überzeugung Ja zu diesem jetzt fälligen Schritt.

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