Fifa-Reform - jetzt kann nur noch das FBI helfen

veröffentlicht am Dienstag, 16.04.2013

Die Zeit


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Fifa-ReformJetzt kann nur noch das FBI helfen

Die groß angekündigte Fifa-Reform erweist sich als Fake, obwohl renommierte Kräfte mitgewirkt haben. Nun greifen Schweizer Politiker und amerikanische Polizisten ein.

Joseph Blatter pflegt in der Fifa die Kultur der offenen Hand.

Es sind nicht mehr nur die Banken, die den Schweizern einen schlechten Ruf bescheren. So denkt der Schweizer Politiker Roland Büchel. "Unser Land hat ein Reputationsproblem", sagt er, "die Sportverbände sind unsere zweite schwache Flanke".

In der Schweiz haben etwa 60 davon ihren Sitz. Büchel hat vor allem ein Problem mit ihrem Hang zur Korruption. Als erstes kommt ihm der Fußballweltverband Fifa in den Sinn.

Unvergessen ist für Büchel der Dezember 2010. Damals vergab die Fifa die Weltmeisterschaften 2018 und 2022 an Russland und Katar. Der Aufschrei war groß, Bestechungsvorwürfe gegenüber dem Exekutivkomitee gibt es bis heute. Joseph Blatter, der Präsident, sah sich vehementer Kritik ausgesetzt. Doch ein halbes Jahr später wurde er nahezu einstimmig wiedergewählt.

Diese beiden Ereignisse erhöhten den Druck der Weltöffentlichkeit auf die ohnehin schlechte beleumundete Fifa. Blatter reagierte und versprach große Reformen. Dazu heuerte er renommierte Leute an: den Münchner Richter Hans-Joachim Eckert, den Mafiajäger und amerikanischen Staatsanwalt Michael Garcia und Theo Zwanziger, den Modernisierer des DFB.

Kopf der Reformgruppe wurde der Basler Strafrechtsprofessor und Compliance-Experte Mark Pieth, der dem Verband die Korruption austreiben und eine moderne Struktur verpassen wollte.

"Die Reform der Fifa ist eine große Enttäuschung", sagt Büchel heute.

Nach anderthalb Jahren sei von den angekündigten Plänen so gut wie nichts geblieben. Letztes Indiz: Ende März lehnte das Exekutivkomitee Pieths Sieben-Punkte-Programm ab. Das sah etwa Alters- und Amtszeitbegrenzungen vor, einen Integritätscheck durch externe Experten und die Offenlegung der Gehälter und Boni.

Vorsichtigen Schätzungen zufolge soll Blatter mindestens fünf Millionen Euro pro Jahr verdienen, auch andere "Ehrenamtliche" aus der Fifa-Führung bekommen jährlich siebenstellige Boni.

Bestochene Fifa-Mitglieder

Auch wurde kürzlich bekannt, dass Pieth nicht seinen Wunschkandidaten als Chefermittler durchsetzten konnte. Michael Garcia war ein Kompromiss zwischen Pieth und dem Exekutivkomitee.

Pieth lasse sich von Blatter als Feigenblatt missbrauchen und setze seinen Ruf aufs Spiel, sagt Sylvia Schenk von Transparency International Deutschland. Die Anti-Korruptions-NGO war ursprünglich auch in Blatters Reformteam vorgesehen, sprang aber ab.

Pieth hatte stets beteuert, dass er zurücktreten werde, falls seine Vorschläge abgelehnt würden. Er hätte es längst tun müssen, sagt Büchel. Blatter verbat Pieth öffentlich den Mund, nachdem dieser Anfang Februar ein kritisches Interview gegeben hatte.

Gespannt wie alle, die sich mit der Fifa befassen, war Büchel auf den gestrigen Montag. Für diesen 15. April hatte Blatter angekündigt, dass Eckert, der Vorsitzende der Ethikkommission, einen Richterspruch über den ISL-Skandal fällen werde. Die Dokumentation des Skandals ist seit Jahren öffentlich zugänglich (pdf), ein Gericht hat die Vorgänge bestätigt.

Die Sportrechte-Agentur ISL schmierte von 1989 bis 2001 Sportfunktionäre mit umgerechnet mindestens 115 Millionen Euro, zum Beispiel den Kameruner Issa Hayatou und Nicolás Leoz aus Paraguay. Beide sitzen nach wie vor im Exekutivkomitee.

Geldkoffer, Schließfächer, Steuertricks

Was auch bekannt ist: Blatter wusste von mindestens einer siebenstelligen Überweisung an Joao Havelange, den damaligen Fifa-Präsidenten und einen der Hauptbegünstigten der ISL-Korruption. Interveniert hat Blatter gegen die Bestechung nicht.

Bislang äußerte sich Eckert nicht, die Fifa sagt auch nichts. Eckert kann durchaus ehrenwerte Gründe für sein Schweigen haben, vielleicht will er sich von Blatter keinen Termin diktieren lassen. Auch ist möglich, dass er doch noch deutliche Worte finden wird. Ob sie aber in der Fifa etwas bewirkten, wäre ohnehin fraglich.

Blatter habe erfolgreich auf Zeit gespielt, sagt Büchel, der sich wie andere Kritiker fragen dürfte: Darf jemand einen Verband führen, für dessen moralischen Bankrott er verantwortlich ist, der tatenlos zusieht, wie sich Funktionäre an dem Geld bereichern, das dem Fußball zusteht?

Meeting in Mauritius

Weil er nicht mehr an die Selbstreinigung des Fußballs glaubt, kämpft Büchel daher für ein Gesetz gegen Sportkorruption. "Reformiert Euch oder wir greifen ein!", sei sein Leitbild. Allerdings lasse sich das Problem schwer in der Schweiz alleine lösen, sagt er.

"Was können wir Schweizer tun, wenn ein Russe einen Brasilianer in Trinidad besticht?" Zudem seien die Verbindungen der Fifa, die über eine Milliarde Franken Umsatz im Jahr macht, zur Schweizer Politik sehr eng.

Die Berichte des Parlaments über die Fifa lesen sich verharmlosend.

Hoffnung setzt Büchel in amerikanische Behörden, die weniger zärtlich mit der Fifa umzugehen scheinen. Seit mehr als zwei Jahren ermittelt das FBI gegen den Fußballverband, inzwischen in Zusammenarbeit mit der Steuerbehörde IRS. Nun haben sie offenbar Daryan Warner und einem Gerücht zufolge auch Chuck Blazer als Kronzeuge gewonnen.

Warner ist Sohn des ehemaligen Fifa-Vizes Jack Warner, Blazer der ehemalige Generalsekretär der Nord- und Mittelamerikanischen Föderation.

Beide dürften einiges wissen über Geldkoffer und Rechteverhandlungen, Kickbacks und Schließfächer, Steuertricks, Geldwäsche und Offshore-Konten. Packen sie aus, könnte es eng werden für Blatter und sein Gefolge, denkt Büchel.

Die Realität sieht anders aus. Ende Mai werden die Herrscher der Fifa auf Mauritius in einer abschließenden Sitzung über die Reform diskutieren. Mit einem Kurswechsel ist nicht zu rechnen.

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