Lotteriefonds: «Wer kritisiert, gilt als Kunstbanause»

veröffentlicht am Mittwoch, 22.11.2006 23.15 Uhr

LEADER November 2006


Wer kritisiert, gilt als KunstbanauseDer St.Galler SVP-Kantonsrat und Sportmanager Roland Büchel aus Oberriet ist einer der wenigen Parlamentarier, welche die Vergabe der Lotteriefondsgelder genau beobachten und sie auch immer wieder hinterfragen oder Streichungsanträge stellen. Im LEADER-Gespräch sagt Büchel, warum viele der Beiträge für ihn keinen gemeinnützigen Charakter haben, den sie per Definition haben müssten.

Mit wenigen Ausnahmen und von einzelnen Streichungsanträgen abgesehen ist die Vergabe der Lotteriefondsgelder im Kantonsrat eine Pro-forma-Angelegenheit, das Geschäft wird jeweils sehr schnell durchgepaukt. Woran liegt das Ihrer Ansicht nach?

Roland Büchel: Am fehlenden Mut vieler Politiker und am institutionalisierten Ablauf. Der geht so: Das Amt für Kultur bereitet das Geschäft vor. Anschliessend kommen die Anträge vor die Finanzkommission des Kantonsrats. Erst dann kommen die Fraktionen der Parteien und der Gesamtrat zum Zug. Wer als Kantonsrat dort noch kritische Fragen stellt, wird rasch einmal als «Kulturbanause» gebrandmarkt.

Wenn man die Liste der unterstützten Projekte durchschaut, gewinnt man den Eindruck: Hier fliesst oftmals Geld in Projekte, die die Welt nicht braucht und welche die Öffentlichkeit nicht interessieren. Dabei ist die Rede von «gemeinnützigen Vorhaben». Sehen Sie das auch so?

Was braucht die Welt? Das ist eine philosophische Frage. Allerdings bin ich erstaunt, was alles als «gemeinnützig» bezeichnet wird. Für mich ist klar: Was nur sehr wenigen, sich selbst zur «Elite» zählenden Personen zu Gute kommt, kann per Definition nicht «gemeinnützig» sein.

Wie beurteilen Sie das quantitative Verhältnis zwischen wirklich unterstützungswürdigen und fragwürdigen Projekten im Kanton St.Gallen? Ist die Auswahl, die dem Kantonsrat jeweils vorgelegt wird, eine gute?

Für die Kulturbeamten ist sie gar das Gelbe vom Ei. Sie schreiben zu den «Beiträgen Winter 2006»: «Die Regierung und das Amt für Kultur freuen sich über die viel versprechenden Projekte, die aus dem Lotteriefonds unterstützt werden können und danken allen, die bei der Umsetzung mitwirken, für ihr eindrückliches Engagement!» - Unglaublich. Millionen werden spendiert. Und die Geber (fremden Geldes) sagen den Empfängern schleimend «Danke»! Nichts von «Wir verlangen einen sauberen und effizienten Mitteleinsatz» oder ähnlich. - Was für ein Affront gegenüber den eigentlichen Sponsoren dieser Aktionen! Das sind die Lottospieler und die Käufer von «Benissimo-Losen». Sie haben schon Milliarden in die Kulturtöpfe einbezahlt und nicht die Beamten oder die Regierenden.

Der Lotteriefonds unterstützt Projekte aus Kultur, Sozialem, Umwelt, aber auch aus der Entwicklungshilfe, also vom lokalen Buchprojekt bis zu Strassenkindern in Burundi. Macht diese breite Fächerung für Sie Sinn?

Der Lotteriefonds ist offensichtlich ein beliebtes Kässeli, das mit geschicktem Lobbying zu knacken ist. Ein Beispiel: Der Verein «ForumMann St.Gallen» nährt sich ausgiebig von Mutter Helvetias Brust. Jetzt sind die Buben stark und selbstbewusst. «Reflektieren in Buchform» heisst das Motto. Dafür soll der Lotteriefonds zusätzlich eine fünfstellige Summe leisten! Oder macht das nächste Exempel Sinn? Dank Lotteriefondsgeldern und einem halben Jahr bezahltem(!) Bildungsurlaub konnte ein Englischlehrer ein paar Anekdoten zusammentragen. Er schrieb über die Sklaverei in fernen Ländern und lieferte damit ultralinken Kreisen eine ideale Grundlage für abstruse Forderungen. Wir hätten Wiedergutmachung zu leisten und uns in die Politik souveräner Drittstaaten einzumischen. Dabei geht es um Milliarden.

Eigentlich müsste man ja den Zweck der Lotteriefondsgelder ganz grundsätzlich hinterfragen und untersuchen, was aber wohl auf nationaler Ebene passieren müsste. Könnten Sie sich vorstellen, dass Ihre Partei hier irgendwann aktiv wird?

Die SVP ist der Ansicht, dass hier die kantonale Ebene geeignet scheint. Auf dieser Stufe ist es am besten möglich, von den Administratoren der Institutionen und Projekte eine saubere Arbeit zu verlangen und diese zu überwachen. Die «Genossenschaft Konzert und Theater St.Gallen» bekommt - als Beispiel - monatlich mehr als eine Million allein aus dem Lotteriefonds. Das ist viel Geld - angesichts der Grösse und Bedeutung des Theaters jedoch in Ordnung. Die Institution leidet jedoch unter einem Image- und Führungsproblem. Sie hat den «Swisscom-Schummler vom Bodensee» (Zitat «Blick») Markus Rauh an ihrer Spitze. Die Regierung findet das gut. Sie fand auch das Sklavereibuch gut. Sie findet auch gut, dass «ForumMann» weitere 45`000 Franken verschwendet. Bei solchen Missständen muss der Kantonsrat eingreifen.

Interview: Stefan Millius

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