Nationalrat Büchel in der Wiener Zeitung: Jetzt weiss die FIFA, wie spät es ist

veröffentlicht am Dienstag, 31.05.2011

Wiener Zeitung


Wiener Zeitung: Jetzt weiss die FIFA, wie spät es ist

 

"Wiener Zeitung": Wie bewerten sie den Rückzug von Mohamed bin Hammam so kurz vor der Wahl?

Roland Büchel: Das ist nicht mehr als ein weiteres Kapitel in einer peinlichen Schmierenkomödie.

Der Wahlkampf war von enormer Härte geprägt. Was sagt das über die Fifa aus?

Sehr viel. Interessant ist vor allem, dass die Fifa gemäß Herrn Blatter bis vor ein paar Wochen sauber gewesen sein soll. Jetzt sieht er sich plötzlich von korrupten Teufeln umgeben. Wer soll das verstehen?

Und Korruptionsvorwürfe kommen nun auch von innen, von Funktionären wie Jack Warner.

Ich habe schon vor Wochen gesagt, dass sich die Krähen jetzt gegenseitig die Augen aushacken werden. Und wenn jetzt die ganzen Summen herauskommen, hoffe ich, dass sich jene, die viel weniger bekommen haben, aufregen werden.

Der Weg für Blatter scheint frei. Was bedeutet das?

Als Nationalrat ist es mir egal, wer Präsident ist. Wichtig ist, dass die Fifa endlich transparent agiert, dass bei den bewiesenen Korruptionsgeschichten Sanktionen ergriffen werden und bei den Vorwürfen der letzten Monate alles auf den Tisch gelegt wird. Die Fifa, aber auch das IOC und die Uefa haben bis Ende des Jahres Zeit, Rechenschaft abzulegen. Das sieht ein Vorstoß von mir vor, den das Parlament einstimmig angenommen hat.

Was passiert dann?

Dann wird gehandelt. Sollten die Verbände in der gerichtsfest bewiesenen ISL-Sache (der Sportvermarkter hatte über Jahre Schmiergelder an Funktionäre gezahlt, Anm.) und bei den aktuellen Vorwürfen nichts Konkretes unternehmen, so ziehen wir die Schrauben an. Nur nebenbei: Jetzt ist auch herausgekommen, dass die Fifa im letzten Jahr 32,6 Millionen Dollar an Boni ausbezahlt hat. Und zwar an das 24-köpfige Exekutivkomitee und maximal zehn führende Angestellte. Die Parlamentarier, die einst für die Steuerbefreiung der Verbände stimmten, wussten damals nicht, dass sich die Fifa-Funktionäre verhalten wie Großbanker.

Warum sind Funktionäre, denen Korruption nachgewiesen wurde, noch immer bei der Fifa?

Das fragen sie einmal die Fifa. Herr Blatter sagt, das sei alter Kaffee. Und das Ethikkomitee könne sich nur um neue Geschichten kümmern. Das akzeptiere ich nicht. Um die Probleme wirklich zu lösen, braucht die Schweiz internationale Hilfe. Auch das ist ein Teil meines Vorstoßes. Es bringt dem Sport nichts, wenn die Schweiz ein neues Gesetz macht, und dann zieht die Fifa weg. Die europäischen Sportminister müssen im Europarat klar sagen, dass sie einer korrupten Fifa nicht Asyl geben würden.

Gab es Drohungen der Fifa, aus der Schweiz wegzugehen?

Latent zwar immer wieder. Sie brächten der Schweiz einen so guten Ruf, behaupten deren Funktionäre. Aber ich frage mich, ob es nicht das Gegenteil ist. Im Ausland herrscht die Meinung vor, dass man sich bei uns alles erlauben könne. Ende letzter Woche hat mir Blatter dann bestätigen lassen, dass er die Fifa in der Schweiz lassen wolle.

Die Fifa wird die Interpol mit 20 Millionen Euro für die Bekämpfung von Wettmanipulationen sponsern. Wie muss man das bewerten?

Das Ganze kommt mir vor, als ob ein Schmugglerring den Zoll sponsern würde. Zu diesem Vorgehen werde ich noch diese Woche eine Frage an das zuständige Ministerium richten. Die Interpol hat 188 Mitgliedsländer. Es ist wichtig, dass Parlamentarier in möglichst vielen Ländern die Frage zur Unabhängigkeit der internationalen Polizeiorganisation an ihre Regierungen richten. Auch in Österreich.

Wie gut kennen sie eigentlich Blatter?

Als ich noch mit ihm zusammenarbeitete, habe ich ihn durchaus geschätzt. Aber ich hatte schon länger keinen direkten Kontakt mehr mit ihm. Dieser geht auf die Zeit zurück, als ich für das Marketing von Fifa-Großanlässen verantwortlich war. Blatter hat durchaus Charme. Doch das spielt keine Rolle. In seiner Organisation wird seit Jahren unsauber gearbeitet.

Wäre er heute noch Präsident, wenn er schon früher begonnen hätte, für Transparenz zu sorgen?

Eher nicht. Unter den 208 Leuten, die den Fifa-Präsidenten wählen, gibt es Dutzende käufliche. Die Fifa will nicht, dass diese bekannt werden. Darum hat sie unter anderem 2,5 Millionen Franken (2 Millionen Euro) für die Konkursmasse der ISL auftreiben lassen, damit der zuständige Kunkursverwalter Ruhe gibt. Und im Vorjahr folgten 5,5 Millionen Franken (4,5 Millionen Euro) für eine außergerichtliche Einigung. Darum wurden Namen von korrupten Fifa-Topfunktionäre nicht herausgerückt. Das darf nicht sein.

Blatter wird sich nun mit ihrem parlamentarischen Vorstoß zu beschäftigen haben.

Ja. Schöner Preis, oder? Jetzt muss er nur das durchziehen, was er der Fußballwelt während des Wahlgeplänkels der letzten Wochen versprochen hat. Die Schweizer Politik wird ihn und die Fifa an den Taten messen.

Kommt die Fifa an einschneidenden Änderungen noch vorbei?

Kaum, denn jetzt kommen die Initiativen von allen Seiten. In Zürich kam eine sogar von der "Alternativen Liste". Der Vorstoß wurde im Stadtparlament mit 75 zu 46 Stimmen angenommen. Jetzt weiß die Fifa definitiv, wie spät es ist. Wenn die europäischen Sportminister, das IOC, die Sponsoren, die nationalen Fußballverbände, aber auch die Fußballfans mitziehen und den Druck nach dem 1. Juni aufrecht halten, bin ich optimistisch. Dann wird sich etwas ändern.

Zur Person

Roland Rino Büchel (45) ist Nationalrat im Schweizer Parlament für die Schweizer Volkspartei (SVP) und Sportmanager. Er war für die Sportvermarktungsagentur ISL tätig und war Marketing-Leiter einiger Turniere der Fifa. Seither berät er Sportverbände und Unternehmen.

 

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