Spitze des Eisbergs - Roland Rino Büchel zum ISL-Skandal

veröffentlicht am Dienstag, 01.04.2008 00.45 Uhr

Berliner Zeitung


Die "Berliner Zeitung" berichtete ausführlich über den Konkurs des Sportrechte-Vermarkters ISL/ISMM. Hier ein Anriss aus der Zeitung. Sie können den kompletten Bericht weiter unten nachlesen.


Berliner Zeitung: Spitze des Eisbergs

Spitze des Eisbergs

Staatsanwalt fordert hohe Haftstrafen im ISL-Prozess

Jens Weinreich

ZUG. Die neue Dimension der Sport-Korruption wird gerichtsfest gemacht. 138 Millionen Franken hat allein die Firmengruppe ISL/ISMM, einst Weltmarktführer im Sportmarketing, zwischen 1989 und 2001 an Bestechungsgeldern an hochrangige Sportfunktionäre gezahlt. Andernfalls, so argumentierten angeklagte ehemalige Manager vor dem Strafgericht Zug, hätte man nie einen lukrativen Vertrag erhalten. Zu den Partnern der ISL-Gruppe zählten das IOC, die Fifa, die IAAF und andere Weltverbände.

Der Schweizer Politiker Roland Rino Büchel, Prozessbeobachter in Zug, erklärte: "Diese Affäre wird die Sportwelt heftiger durchschütteln als alle anderen vorherigen Korruptionsaffären zusammen." Büchel will unverzüglich Initiativen anstoßen, um die Geschäfte der rund 60 in der Schweiz beheimateten Weltverbände, zumeist olympische Verbände, transparenter zu machen.

Appell an die Verbände

Zum Auftakt des zweiten Prozessteils hielt Staatsanwalt Marc von Dach sein Plädoyer. Zur Korruptionspraxis im Reich der ISL-Gruppe, die zwanzig Jahre lang den olympischen Sport dominierte, sagte von Dach: "Dieser Beweis ist rechtsgenügend erbracht. Daran halte ich mit Vehemenz fest. Wir haben auch in den Aussagen der Angeklagten nie etwas anderes gehört."

Roland Büchel sagt, Großverbände wie IOC und Fifa seien nun in der Pflicht, aufzuklären, welche Funktionäre ihren Teil der 138 Millionen erhalten haben. Doch die Verbände schweigen. Es ist stark anzunehmen, dass diese Summe nur die Spitze des Eisberges ist. Kriminalwissenschaftler gehen davon aus, dass mehr als 95 Prozent aller Korruptionsfälle unentdeckt bleiben.

Im Kern aber sind die sechs ehemaligen ISL-Manager nicht wegen der Zahlung von Bestechungsgeldern, sondern wegen anderer Vergehen angeklagt. Etwa wegen Konkursverschleppung, Gläubigerschädigung und Urkundenfälschung. Staatsanwalt Marc von Dach ließ einen kleinen Teil der Vorwürfe fallen, die sich auf mehrfache Bevorzugung eines Gläubigers bezogen. In der Sache blieb er bei seinen Anträgen: Haftstrafen zwischen ein und viereinhalb Jahren für die Manager der ISL/ISMM, die im Frühjahr 2001 Konkurs anmeldete und einen Milliardenschaden hinterließ.

Jean-Marie Weber, der Hauptangeklagte, soll viereinhalb Jahre hinter Gitter. Weber steht auch im Mittelpunkt eines zweiten Verfahrens: Hier geht es darum, wer Weber 2,5 Millionen Franken zur Verfügung gestellt hat, die er in einen Vergleich mit dem ISL-Konkursverwalter einbrachte.

Fachleute nennen diese Abmachung "Korruptionsverdunklungsvertrag", denn als Gegenleistung für die 2,5 Millionen aus unklaren Quellen hat Weber vom Konkursverwalter verlangt, Funktionäre aus dem Fußballbereich wegen erhaltener Bestechungsgelder nicht weiter zivilrechtlich zu belangen.

Aussage verweigert

Im Zusammenhang mit den Ermittlungen zu diesen 2,5 Millionen Franken wurden im November 2005 die Büros des Fifa-Präsidenten Joseph Blatter und des damaligen Generalsekretärs Urs Linsi durchsucht. Blatter fühlte sich zu Unrecht an den Pranger gestellt. Gleichwohl ist es merkwürdig, dass sein persönlicher Anwalt den Korruptionsverdunklungsvertrag für seinen Freund Weber ausgehandelt und die Summe an den Konkursverwalter weiter geleitet hat.

Der Anwalt weigert sich bislang, die Namen der Geldgeber zu nennen. Auch Weber verweigerte im Prozess die Aussage. Bis Donnerstag halten die Anwälte der Beklagten ihre Plädoyers und fordern Freispruch in allen Punkten. Die dreiköpfige Richterkammer fällt ihr Urteil im Sommer.

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